Dynastiegewitter. August der Starke versus Herzog Christian
30. September 2017 bis 21. Januar 2018
Weithin bekannt ist Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen wegen seiner Frauengeschichten, seiner Schlösser, seines Prunks. Weniger bekannt ist sein Umgang mit Religion und Konfession.
1697 war der Repräsentant des wichtigsten und traditionsreichsten protestantischen Fürstenhauses und Direktor aller evangelischen deutschen Fürsten plötzlich Katholik geworden!
Der Glaubenswechsel brachte dem Kurfürsten die polnische Königskrone ein. Doch war das auch ein Wagnis: August riskierte seine führende Position unter den protestantischen Reichsfürsten, setzte die Kurwürde aufs Spiel, gefährdete den inneren Frieden und nahm das Zerbrechen bisheriger Allianzen hin. Selbst für Teile der Kurfürstenfamilie war die Konversion unannehmbar. Mutter und Gattin opponierten. Man stritt um Erziehung und Bekenntnis des einzigen Sohnes. Blieb das beherrschbar?
Die Führung des evangelischen Reichsdirektorats übergab August im Jahr 1700 einvernehmlich an seinen ranghöchsten protestantischen Verwandten, Herzog Johann Georg von Sachsen-Weißenfels. Den sächsischen Untertanen hatte er bereits 1697 die freie Religionsausübung zugesichert. Der Weißenfelser Hof entwickelte sich so zur »protestantischen Zentrale« des Kurhauses Sachsen. Das hob dessen Bedeutung ungemein, ruinierte aber das kleine Land.
1712 starb Johann Georg plötzlich und der Thron fiel an seinen Bruder Christian. Der wurde nach Kurfürst und Kurprinz dynastisch »der dritte Mann« im Kurstaat. Christian war gewillt, die Regentschaft ganz im Sinne der lutherischen Haustradition auszuüben. Pflege wie Ausbreitung des evangelischen Glaubens waren ihm höchstes Credo. Ein wahrer Landesherr in Sachsen konnte für ihn nur ein Protestant sein! August hatte ein neues Problem: Wie umgehen mit solch einem Verwandten?
Symbolische Teilhabe an der Macht und deutliche Zeichen der Wertschätzung fruchteten, anders als bei Johann Georg, bei Christian nicht. Er strebte nach Selbständigkeit, hatte seinen eigenen Kopf! So entspann sich zwischen August dem Starken und seinem Weißenfelser Vetter ein verbissen geführter Streit. Die Kontrahenten hätten unterschiedlicher kaum sein können: Da der phantasievolle, weltgewandte Draufgänger, König, Kurfürst, Souverän. Dort ein orthodoxer, bodenständiger Fürst, Herr in einem kleinen Fürstentum, im Grunde machtlos und von Dresden abhängig. Wer würde die Oberhand behalten?
Christian sah das ihm zugefallene Regierungsamt als Gottesgeschenk und Mission an. So gelobte er die Errichtung einer eigenen protestantischen Hofkirche. Sie entstand in Sangerhausen und zwischen 1713 und 1736 zelebrierte er dort alljährlich öffentlich die Umsetzung seines Gelübdes. Christian stellte sich damit ganz eindeutig gegen den Kurfürsten und dessen katholisches Glaubensbekenntnis. In der Tradition seiner protestantischen kurfürstlichen Vorfahren ließ der Weißenfelser die Schlosskirchen sanieren und förderte protestantische Kirchgemeinden. Hofhaltung und Zeremoniell unterstrichen beständig sein lutherisches Bekenntnis. Besonderes Augenmerk legte er auf die geistliche Musik.
So wuchs die Distanz zu August beständig. In den Jahren 1716 bis 1719 kam es durch die Konversion sowie die katholische Heirat des Kurprinzen zum endgültigen Bruch. Christian blieb, zunehmend isoliert, bei seinen protestantischen Überzeugungen und seinem Machtanspruch. Dabei verwirklichte er 1722 noch vor dem Kurfürsten ein besonderes Projekt: die Errichtung einer vergoldeten Reiterstatue. Sie zeigte Christian als umsichtigen wie erfolgreichen Staatslenker. Die Reste dieses beeindruckenden Monuments können Sie noch heute auf dem oberen Hof von Schloss Neuenburg in Freyburg an der Unstrut bewundern.
Erstmals thematisiert die Ausstellung »Dynastiegewitter« ein faszinierendes Stück sächsischer Glaubensgeschichte. In vier Räumen lernen Sie die Akteure und ihr Handeln näher kennen. Ursprünglich waren diese vier Räume einer – das prachtvolle, fürstliche Tafelgemach! Hier versammelte sich die herzogliche Familie, hier haben die Menschen tatsächlich gelebt und gehandelt, hier war das höfische Zentrum von Gesellschaft, Politik und Kultur.
Erstmals wird das fürstliche Kirchengemach für Besucher geöffnet. An diesem Ort erhielten sich leider nur die Grundformen der Architektur. Ungebrochen bleibt aber die Authentizität des Ortes – ab 1682 nahmen an dieser Stelle alle Weißenfelser Herzöge und Herzoginnen an den Gottesdiensten teil. Gönnen Sie sich den fürstlichen Blick in den prachtvollen Kirchenraum!
Die Dauerausstellung »Sachsen-Weißenfels« im einstigen Audienzgemach und dessen Vorzimmern stellt Residenz, Herzogsfamilie und Hofkultur näher vor. Zahlreiche Exponate sind Zeugnisse einer ungemein reichen Kulturentfaltung. Sie bieten ganz unterschiedliche Einblicke in eine Fürstenfamilie, deren kurfürstengleiches Selbstverständnis alle Facetten ihrer Hofhaltung durchzog. Davon ist bisher erst Weniges entdeckt!
Die wirklich atemberaubende Kirche ist ein besonderes Gesamtkunstwerk. Das Gotteshaus avancierte zu einer der wichtigsten protestantischen Landeskirchen. Die Gottesdienste waren besonders prachtvoll, man legte Wert auf tägliche Qualität. Händels Talent wurde an der Orgel des Gotteshauses entdeckt, Johann Sebastian Bach wirkte als Hofkapellmeister! Unterhalb des Altarraumes befindet sich die Fürstengruft der Herzöge von Sachsen-Weißenfels mit den 38 fürstlichen Prunksärgen.